Ein weites Feld, das auch Klangkünstler und Komponisten zur Erkundung verlockt. Die Österreicher Sam Auinger und Rupert Huber etwa, die als Stipendiaten des Künstlerprogramms des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) für ein Jahr in Berlin leben, konzentrieren sich in ihren Hauskonzerten ganz auf dieses Thema. Etwa alle 14 Tage laden sie in ihr Weddinger Atelier, spielen auf einem wild verkabelten Arsenal von Computern und elektronischen Instrumenten und schicken den Mikrophonmitschnitt live ins Internet (22 KHz Samplingrate, mono, http://www.kgw.tu-berlin.de/~bt).
So wird aus Club-Musik oder Sampling-Loops "Berliner Theorie": Die Mikrophone übertragen neben der Musik auch das Surren der Kühlventilatoren und Gesprächsfetzen umhergehender Konzertbesucher aus dem "konkreten Raum" des Ateliers in den "öffentlichen Raum" des Netzes. Mit zwei Sekunden Zeitverzögerung wird die private Atmosphäre des realen Konzertes in einen weltweit hörbaren Klangstrom aufgelöst, der durch Datenreduktion und Wiedergabe über quäckende Computerboxen sein Ausgangsmaterial gleichsam technisch filtert.
Diese Einschränckung des Klangs durch das Netz vergleicht Auinger mit der Begrenztheit und Auschnitthaftigkeit menschlicher Wahrnehmung. Der private Raum subjektiver Erfahrung und der öffentliche Raum allgemeiner Vermittlung ähneln sich in ihrem reduzierten Verhältnis zum konkreten Raum des realen Konzertes.
Soweit die Quintessenz der "Berliner Theorie", einem vierseitigen Manifest der Künstler. Musikalisch liegt ihr "livestream", der bis zum jeweils nächsten Konzert im Netz gespeichert bleibt, dem tanzbaren Mainstream näher als man vermuten möchte. Vielleicht finden sich ja Klangbastler, die den Konzertmitschnitt ihrerseits musikalisch überarbeiten. Auf solche Rückkopplungen darf man gespannt sein.
Volker Straebel